Zooviertel / Schluß

Schluß

Das Zooviertel in Wuppertal - Titel der Inaugural-Dissertation von Markus Arndt

 

 

Markus Arndt: Das Zooviertel in Wuppertal

Schluß

Das Villenviertel am Zoologischen Garten in Elberfeld entstand als typische Stadterweiterung für wohlhabende Bevölkerungsschichten während der Verstädterung durch die Industrialisierung. Es wurde als großzügiges Viertel mit freistehenden Häusern und Gärten konzipiert und angelegt. Gärten und Alleen betteten das Viertel in eine natürliche Umgebung, die in den innerstädtischen Regionen verschwunden war, aber den Wunsch zur Stadtflucht hervorgerufen hatte. Diese Tendenzen, die innerstädtischen Bereiche zu verlassen, wurden während der Spätphase der Industriealisierung nicht nur in Villenvierteln verwirklicht, sondern ebenso in sämtlichen anderen Siedlungsbewegungen. Das Bedürfnis nach frischer Luft und dem Wohnen in der Natur wurde auch in der Gartenstadtbewegung umgesetzt, durch deren Anregung Gartenvorstädte entstanden. Den Villenvierteln bleibt im Vergleich zu den Gartenvorstädten die luxuriöse Ausstattung und Größe der Wohnhäuser sowie die individuelle Finanzierung der Immobilien vorbehalten. Andere Siedlungsbewegungen, die z.B. von Genossenschaften getragen wurden, bauten Häuser in kleineren Dimensionen und mit anderem wirtschaftlichen Hintergrund.

Das gesamte Viertel am Zoo ist die Schöpfung der beiden Architekten Rudolf Hermanns und Kuno Riemann. Auch wenn einige andere Architekten später im Viertel Bauprojekte verwirklicht haben, bleiben diese anderen vereinzelten Bauvorhaben weit hinter der Anzahl der Projekte von Herrmanns & Riemann zurück. Die beiden Architekten haben die Anlage der Straßen im Spannungsfeld der damaligen städtebaulichen Diskussion konzipiert. Insbesondere die Städtebautheoretiker Stübben und Sitte bildeten dabei die entgegengesetzten Pole der Diskussion. Stübben vertrat am Beginn seines Schaffens die Position, den Städtebau nach mittelalterlichen Vorbildern neu zu gestalten. Beide Theoretiker waren Gegner monotoner Straßenbilder, aber ihre Lösungsansätze waren höchst divergierend. Warum Herrmanns & Riemann sich bei der Schaffung des Straßennetzes im Zooviertel für Stübben als Vorbild entschieden hatten, kann man darauf zurückführen, daß Stübben in seinem Stil einige äußerst aufsehenerregende Großprojekte verwirklicht hatte, die von den Zeitgenossen anerkennend rezipiert worden waren. Vermutlich wirkte Sittes Position zum Städtebau antiquiert und auf vergangene Zeiten eher übertragbar als auf die Zeit, in der das Zooviertel entstand, einer Zeit, in der die Industrie prosperierte und das Verkehrsaufkommen anstieg.

Von Karl Henrici hatte Hermanns während seines Studiums seine gestalterische Prägung erhalten. Dies gilt weniger für den Städtebau und die Anlage von Straßen als für die Wohnhausarchitektur. Auf dem städteplanerischen Sektor vertrat Henrici die Position Sittes; allerdings hat Henrici bei aller Kritik an der Qualität der Stadterweiterungen in den Städten der Industrialisierung bei seinen rückwärtsgerichteten Tendenzen die Geometrisierungstendenzen für eine Stadterweiterung nicht ausgeschlossen. Malerische, pittoreske, verschachtelte Städtchen liebte Henrici einerseits und machte Hinweise darauf, wie man malerische Wirkungen erzielen konnte, aber für geschlossene Viertel oder Krankenhausanlagen u.ä. schloß er die Symmetrie und Rasterbildung als Gestaltungsprinzip nicht aus. Hermanns & Riemann legten die Straßen mit Sichtachsen, point de vues und der dazugehörigen Symmetrie an. Dieses Konzept wird jedoch nur aus der Vogelperspektive deutlich, da innerhalb des Viertels dieses Gestaltungsprinzip durch die topographische Lage des Quartiers nicht mehr real wahrgenommen wird. Die Lage am Hang des Kiesbergs ist für die Anlage neobarocker Straßennetze nicht besonders günstig, dennoch konnte ein abwechslungsreiches Ortsbild entstehen.

Die Häuser entwarfen Hermanns & Riemann, die als die Schöpfer des Viertels betrachtet werden können und dort auch eine Vielzahl der Häuser errichteten, dem damaligen Stilempfinden entsprechend, im Historismus. Erst bei den späteren Häusern begannen sie Jugendstilelemente einzufügen und erreichen mit diesen Häusern Lösungen von hoher ästhetischer Qualität. Ihr wichtigstes Werk im Viertel ist wahrscheinlich die Häuserzeile Kaiser-Wilhelm-Allee Nr. 27-47. Dort schufen Hermanns & Riemann eine überzeugend gestaltete Anlage, bei der die bauliche Abwechslung der Häuser zu einem überaus malerischen Gesamteindruck führt. Teilweise wirkt diese Häusezeile mit baulichen Details überfrachtet. Dennoch bleibt die beeindruckende Gesamterscheinung erhalten. Hermanns & Riemann haben mit diesen Häusern einen wichtigen Beitrag zur frühen Jugendstilarchitektur im Wuppertal geleistet.

Betrachtet man das Viertel in seiner Gesamtheit fällt auf, daß die meisten Häuser von den beiden Architekten geplant und ausgeführt wurden und daher eine gewisse stilistische Gleichförmigkeit im gesamten Viertel zutage tritt. Ein Abwechslungsreichtum der architektonischen Erscheinungsformen wie er zum Beispiel das Briller Viertel auszeichnet, ist im Zooviertel nicht vorhanden. In der Zeitschrift `Das deutsche Landhaus' wurde kritisiert, daß "...im Tiergarten-Viertel eine gewisse Schablone, notwendigerweise durch die einheitliche Bauleitung hervorgerufen, entschieden vorwiegt." Anhand des Quellenmaterials über die einzelnen Häuser läßt sich auch eine gleichförmige Behandlung der Grundrisse feststellen. Alle Gebäude weisen sehr ähnliche Raumdispositionen auf. Undenkbar wäre im Erdgeschoß ein Fehlen der Raumflucht Salon, Eßzimmer und Wintergarten. Meistens befinden sich noch zwei weitere Zimmer im Erdgeschoß, die um einen Flur angeordnet sind. In der Regel entspricht bei allen Häusern die Anordnung der Räume in den Obergeschossen den Grundrissen der Erdgeschosse. Andere Architekten, die vereinzelte Bauaufgaben verwirklichten, brachten neue Stile, insbesondere den Bergischen Stil ins Viertel. Die Häuser von Ernst Ruppel, die zeitlich spät entstanden waren, entsprechen diesem neuen Stil, der in der Gesamtheit der Häuser jedoch verschwindend unauffällig bleibt. Mit dem Zooviertel haben die Architekten Hermanns & Riemann ein Villenviertel im Westen Wuppertals geschaffen, das durch seine Nähe zu den Naherholungsmöglichkeiten des zoologischen Gartens und der Wälder auf der Königshöhe zu einer vornehmen Wohngegend für Elberfelder Unternehmer, höhere Beamte und Angestellte wurde und auch heute noch zu den bevorzugten Wohnlagen Wuppertals gehört.

 

Diesen Text (S. 267 ff.) und viele weitere Informationen finden Sie in:

Markus Arndt
Das Zooviertel in Wuppertal als Beispiel für Planung und Bebauung eines gründerzeitlichen Villenviertels
Dissertation, Bergische Universität/GHS Wuppertal
Sprockhövel 1999

Der Veröffentlichung des Textes auf dieser Webseite hat Herr Dr. Markus Arndt freundlicherweise zugestimmt.